Robin im Wunderland

10. Januar 2024

Als Souschef des Unterwasser-Restaurants Ossiano im Hotel Atlantis The Palm in Dubai kann Robin Höfer seine Kreativität voll ausleben und auf ein Heer von helfenden Händen zählen. Trotzdem vermisst er die Schweiz.

Für die Köche aus Europa ist Dubai so etwas wie das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Es gibt kaum eine Idee, die sich hier nicht umsetzen lässt», sagt Robin Höfer, der vor einem Jahr den Sprung in die Vereinigten Arabischen Emirate und damit in eine andere Gastro-Welt wagte. Der Präsentation der Gerichte beispielsweise kommt am Persischen Golf eine noch viel grössere Bedeutung zu als in Europa: «Die Gäste wollen nicht nur gut essen, sondern auch unterhalten werden. Und wir tun alles, um ihnen ein Wow-Erlebnis nach dem anderen zu bescheren.»

Sinnbildlich für diesen Anspruch ist ein Amuse-Bouche, das auf den ersten Blick aussieht wie zwei Krebse in Miniaturformat, sich beim Hineinbeissen aber als filigranes Kunstwerk entpuppt. «In unserer Küche steht ein Spezialdrucker, mit dem wir Peperoni-Chips exakt so zuschneiden können, dass sie beim Ausbacken die Form von Krebsen annehmen. Vor diesem Schritt kommen noch Reisstärke und Hummer-Corail auf die Chips. Die Stärke für die Konsistenz, der Corail für den Geschmack. Gefüllt werden die Chips schliesslich mit einem kleinen Taschenkrebssalat», erklärt der Sieger des marmite youngster 2022 in der Kategorie Küche.

Während in der Schweizer Spitzengastronomie das Thema Personalknappheit fast allgegenwärtig ist, kann Robin Höfer im Vorzeigelokal des Hotels Atlantis The Palm aus dem Vollen schöpfen: «Wir sind 28 Köche für maximal 54 Gäste – ein echter Luxus.» Am Abend steht Höfer am Pass und kontrolliert jeden Teller, der die Küche verlässt. Tagsüber probiert er die einzelnen Komponenten der Gerichte und schickt die Köche erst in die Pause, wenn er mit allem restlos zufrieden ist. Seine reizvollste Aufgabe ist die Kreation neuer Gerichte.

«Grégoire Berger, der Executive Chef des Ossiano, nennt mir die Produkte, die er miteinander kombinieren möchte, und ich fange dann an zu basteln», sagt der 28-Jährige. «Kürzlich habe ich mir zum Beispiel eine Pilzvariation ausgedacht, die wir im Restaurant nun mit Dashi als Begleitung servieren. Sie besteht aus einer Pilz-Meringue, einer Steinpilz-Haselnuss-Praline und zehn Sorten Pilzen in zehn verschiedenen Texturen.» Eine Kreation ganz nach Höfers Geschmack: «Ich liebe es filigran und verspielt.» Spektakulär wird es bei der abgeflämmten Rotbarbe auf dem heissen Stein, die der Service am Tisch mit Sodiumacetat übergiesst. Dieses kristallisiert auf dem heissen Stein, verwandelt sich sofort in eine Salzkruste und gart den Fisch.

Dass man im Ossiano aufregend gut isst und ausgezeichnet unterhalten wird, ist auch den Jurorinnen und Juroren der inoffiziellen Restaurant-Weltrangliste The World’s 50 Best nicht verborgen geblieben. Im aktuellen Ranking belegt das Fine-Dining-Lokal des Hotels Atlantis The Palm den 87. Rang. Weiter vorne sind im gesamten MENA-Raum (Naher Osten und Nordafrika) nur drei Restaurants klassiert. Regelmässige 4-Hands-Dinners mit internationalen Stars wie Joan Roca aus dem Celler de Can Roca im spanischen Girona oder Eric Vildgaard aus dem Jordnær im dänischen Gentofte sollen nicht nur die Gäste begeistern, sondern auch den Horizont des Küchenteams erweitern.

Robin Höfer mit seinem Team im Ossiano Restaurant.

Die Schattenseite des beruflich so reizvollen Engagements in Dubai ist für Robin Höfer das Klima in den Vereinigten Arabischen Emiraten. «Ein Grossteil des Jahres herrscht eine so grosse Hitze, dass man draussen nichts unternehmen kann. Positiv gesehen könnte man sagen, dass einen wenigstens nichts von der Arbeit in der Küche und der Kreation neuer Gerichte ablenkt», sagt der Ossiano-Souschef und lacht. Immerhin: Von Dubai gelangt man mit dem Flugzeug in rund sechs Stunden in die Schweiz. Das ermöglicht es Höfer, die alte Heimat ab und an zu besuchen. Für den Goldenen Koch zum Beispiel, dessen Finale er zusammen mit Mirco Kristal bestritt, seinem Nachfolger als marmite youngster.

Wehrli zu pflegen, die im gleichen Jahr wie er am Wettbewerb teilnahm und die Pâtisserie-Konkurrenz für sich entschied. Auch mit Christian Kuchler, dem Chef der Taverne zum Schäfli in Wigoltingen, steht Höfer in Kontakt. Bevor er nach Dubai ging, arbeitete er als Souschef im Boutique Hotel Alhambra auf der kroatischen Insel Lojsin, für dessen kulinarisches Konzept Kuchler verantwortlich ist.

Wenn er Waren für das Ossiano bestellt, denkt Höfer bisweilen wehmütig an die Zeit in der Schweiz zurück, als ein Anruf beim Bauern im Nachbardorf genügte, um am nächsten Tag taufrisches Gemüse oder spezielle Kräuter in der Küche zu haben. «Wir erledigen die gesamten Einkäufe über eine Software des Hotels. Was es auf der Plattform nicht gibt, können wir kurzfristig auch nicht bestellen. Immerhin haben wir die Möglichkeit, unsere Wünsche zu deponieren. Das Management prüft dann, was sich machen lässt.»

Pilze oder Trüffel und ein grosser Teil der Früchte und des Gemüses müssen von weit her nach Dubai eingeflogen werden. Klar, dass ein vom in der Schweizer Spitzengastronomie so wichtigen Regionalitätsgedanken geprägter Koch wie Robin Höfer da ins Grübeln kommt. «Ich möchte vermehrt mit Produkten arbeiten, die es hier in ausgezeichneter Qualität gibt», sagt er.

«Kürzlich bin ich zum Beispiel auf Fische gestossen, die ganz ähnlich wie Rotbarben sind. Diese werden am Morgen gefangen und kommen dann direkt zu uns – in fantastischer Qualität.» Das Bewusstsein, dass einheimische Ware genauso gut und sogar besser sein kann als Importe aus Europa, müsse in Dubai aber erst einmal geschaffen werden. Am besten geht das bekanntlich über ein herausragendes Gericht. Und um ein solches zu kreieren, ist Höfer zum Glück genau der Richtige.